Mit dem e-bike und Zelt - Pfingsten 2025
von Heidelberg ins Jura

Tag 4 - weiter durch die hohen Vogesen - 10. Juni 2025

Heute war das gleiche Programm wie gestern: die erste Runde muss ich frieren. Dabei geht es hoch in den Wald und da schottere ich so vor mich hin. Es ist alles immer noch matschig und ich muss die steilen Anstiege schieben. Wenn ich dann aber oben bin, so auf 1000 MH, gibt es die Belohnung. Will sagen, dass Frühstück will verdient sein.
Der Rest läuft von alleine. Am vierten Tag wissen die Beine, wo es lang geht. Die Akkus und der Kühlschrank sind gefüllt und die Sirenen meiner geriatrischen Nöte halten die Klappe.
Ich mag die Vogesen, weil sie so ein bisschen Urwald sind. Meine Wege schlängeln sich abseits sämtlicher touristischer Highlights, dafür komme ich auf meinen 70 km heute nur einmal durch ein kleines Städtchen mit Supermarkt. So habe ich die Vorstellung, durch eine weite Wildnis zu radeln.

Wenn du das an der Supermarktkasse kapierst, dann hast du auch Globalisierung, ETFs, Aussenhandel und Israel verstanden. Also diese Kommunikation und die kleinen und mittelgroßen Dramen beim Bezahlvorgang. Im Super-U sind zwei Damen vor mir. Die Ältere kann nicht fassen, was das bisschen im Körbchen alles kosten soll und kramt hier und da, um den verlangten Obolus zu erstatten. Man möchte ihr das Geld heimlich zustecken. Das hat natürlich gedauert, aber ich habe die Geduld des einsamen Waldmenschen. Dann das junge, dünne Mädel. Gekauft hat sie einen Magerquark und eine Karotte. Aber diese Plastikkarte vergessen. Also ist sie losgerannt, irgendwohin und nach so einer gewissen Zeit ist sie zurück gehetzt und hielt mit rotem Kopf die Karte an die Kasse. Der Waldmensch hat auch diese Szene purer Menschlichkeit wegstoisiert. Jetzt bin ich dran und Madame lächelt mich wirklich hübsch an. Mein Herz erwärmt sich und der Kopf braucht handgestoppte 7 Sekunden, in denen sich mein Debilitätsgrad offenbart und dass ich vergessen hatte, das Obst zu wiegen.

Die Tagesetappe auf Komoot 

Tag 5 - Der endlose Wald - 11.Juni 2025

Eine ganz verzwickte Situation gestern. Auf dem Zeltplatz ist die Rezeption geschlossen. Ich soll mich aber schon installieren. Der Camping Capo kommt vorbei und sagt, dass erst morgen kassieren wird. Ich sage ihm, dass ich um 6:00 in der Früh weggezwitschert bin. Ich glaube, er hat das nicht verstanden. Aber gut. Der Hilfssheriff verhilft mir zu Strom, indem er mit einem Schlüssel die Strombox öffnet, mein Kabel einsteckt, und wieder abschließt. Und er darf erst wieder aufschließen, wenn ich bezahlt habe. Sagt er. Weil der Patron das so sagt. Der Capo darf nicht kassieren und deshalb auch der deputy nicht. Nach einer Pizza und drei Stunden später bitte ich den Hilfssheriff, mein Ladekabel zu befreien. Und er weigert sich. Der Patron! Der gute Mann ist in einer Zwickmühle und macht sich auf die Suche nach seinem Herr und Meister. Etwas später beliebt dieser zu erscheinen. Der Mann aus dem Wald in körperlanger schwarzer Kutte. Die Nase und irgendwo auch die Augen kann ich verorten in seinem dichten Gesichtsurwald. Ich stammele mit meinem Restefranzösisch meinen Text und er verlangt 12 Euro. Ich war einfach froh, das Geld passend zu haben. Suizidale Gemüter hätten jetzt um eine Quittung gebeten. Der Mann sieht aus wie das Cover von Aqualung. Spart euch die Mühe, ich habe es als Bild hier beigefügt. Und übrigens, Liebhaber von Bach und Querflöte kommen bei Aqualung voll auf ihre Kosten.

Drei Tage bin ich durch den Wald gefahren. Jetzt ist gut damit. Die Tage sind lang und um 9:00 Uhr bin ich oben auf dem Berg. In 2 Stunden könnte ich am Ziel in Belfort sein. Ich mache so etwas wie einen Ruhetag, indem ich mir ein schönes Plätzchen nach dem anderen suche und meine Süddeutsche einmal ganz durchlese. Ich muss auch meinen Kulturbolschevismus eingestehen: das Fort in Belfort interessiert mich nicht so und eine semiexistente Altstadt habe ich in 10 min weggekuckt.

Ein Kirchlein am Wegesrand

Ein kleines Kirchlein steht am Wegesrand. Es zeigt uns, wie vergeblich das Streben nach Unsterblichkeit ist und hat als letzte Aufgabe für die Menscheit das präapokalyptische Zeitalter einzuläuten.

Pátebrot

An jeder Ecke stehen hier Pizzaautomaten. Nouvelle cuisine.
Meine neue Kreation hat als Basisgrundhauptbestandteil eine P​áte. Ich finde sie sehr gelungen. Die Zwiebelringe nehmen die Formensprache der Tomate auf, setzen farblich aber einen singulären Akzent. Es ist einfach total important, dass ich ganzheitlich an die Broteschmierei herangehe.

Die Tagesetappe auf Komoot 

Tag 6 - Die Schweiz - 12. Juni 2025

Heute geht es in die exotische Schweiz. Für die Landschaft dorthin hat man sich keine große Mühe gegeben. Ist das hier Gewerbegebiet? Haben hier Menschen gelebt? Warum gibt es keinen Bäcker? Der Plan dahinter scheint eine kostengünstige militärische Abschreckung zu sein, dass der Feind im Osten denkt: ach nö, das brauchen wir nicht. Macht nur fiesen Dreck und Ärger.
Ich buche auf dem Smartphone schweizer Internet-bits, fülle auf urdeutsche Weise beim Aldi meine Tröge auf. An der Grenze ist Zeit für ein Selfie und das, was ich zu verzollen habe, kann ich nur euch beichten.

St. Ursanne

Ich habe noch 10 Franken von früher. Für einen Kaffee könnte es reichen. Auf Dauer brauche ich eine dieser Wände, die Geld hergeben.
Ich muss fast 500m in die Höhe um ins Tal des Doubs zu kommen. Ich freue mich jetzt schon wegen dieses schönen Namens. In dem Tal gibt es ab einem gewissen Punkt keine Straße, nur einen Wanderweg, der hoffentlich radelbar ist.

St Ursanne ist so ein Auto befreites Mittelalter Idyll. So ein richtig schönes Dorf gab es auf meiner Route noch gar nicht. Du zahlst in Franken, aber dafür wird dir auch was geboten. Das ist der Deal. Und so eine prakische Mauer, die Franken ausspuckt, gabs auch. Läuft. Aber jetzt geht es wirklich ab von der Straße ins Doubs Tal.

Die Doubs

Ich bin auf dem matschigen Uferweg der Doubs angekommen auf meinem Zeltplatz. Der liegt wieder in Frankreich. Die Mitte der Doubs ist die Grenze. Wunderschöne Strecke.

Die Tagesetappe auf Komoot 

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